Diesen 3. August werden Deutschlands Olympiasegelnde so schnell nicht vergessen
49erFX: „14-jährige Partnerschaft mit Tiefschlägen und Höhenflügen, aber nie das Ziel aus den Augen verloren“
Den historischen Erfolgstag läuteten die 49erFX-Seglerinnen Tina Lutz und Susann Beucke mit einem formidablen Finale ein, in das sie als Dritte gestartet waren und sich sogar noch steigern konnten. Mit Silber krönten die Steuerfrau vom Chiemsee Yacht-Club und ihre Vorschoterin vom Norddeutschen Regatta Verein ihre 14-jährige Partnerschaft, in der sie Tiefschläge und Höhenflüge erlebt, aber nie ihr Ziel aus den Augen verloren haben.
Die selbst erarbeitete Chance nutzten die Skiff-Seglerinnen konzentriert und überzeugend. „Die größte Herausforderung bestand darin, vor und im Finale nicht an die Medaillen zu denken, denn sonst kann ich nicht mehr segeln, weil der Druck einfach zu groß wird“, erzählte Tina Lutz nach Segelkrimi Nummer eins an diesem Dienstag. Die wichtigste Kraft ihres Teams beschrieb Susann Beucke: „Es gibt einfach nicht so viele, die einen so langen Wegvoller Höhen und Tiefen miteinander gehen.“ Gemeinsam haben die beiden 30-jährigen Top-Athletinnen der olympischen DSV-Flotte nun den Gipfel ihrer Partnerschaft erklommen. „Tina war unglaublich mutig heute“, zollte Beucke ihrer Steuerfrau Respekt.
49er: „Diese Medaille ist viel mehr wert als die erste“
Für ein Happy End im Segelkrimi zwei sorgten kurz nach den Frauen die deutschen Skiff-Männer: Erik Heil und Thomas Plößel (Norddeutscher Regatta Verein) hatten an diesem Tag unter den drei deutschen Medaillenjägern die schwerste Aufgabe zu lösen, weil sie „nur“ als Gesamt-Vierte ins Finale starteten. Den in Kiel lebenden Steuermann und seinen Vorschoter aus Hamburg hat die Ausgangssituation ganz offensichtlich beflügelt: Der 31-jährige Heil und sein 33-jähriger Vorschoter brillierten mit herausragendem Speed und lieferten sich bis ins Ziel ein packendes Duell mit den Briten. Den Erfolgstag des German Sailing Teams mit insgesamt drei Medaillen nannte Heil einen „Giganten-Tag für den deutschen olympischen Segelsport.“
Nacra 17: „Der Wert dieser Medaille ist unermesslich“
Dazu trugen nachhaltig auch Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer bei: Die jungen Nacra-17-Segler aus Kiel hatten ihre gemeinsame Olympia-Premiere von Beginn an in den Top Drei bestritten. Die Mixed-Crew vom Kieler Yacht-Club bot der Weltelite im foilenden Katamaran mehr als nur Paroli. Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer – das war täglich zu sehen – sind selbst in der Weltspitze angekommen. „Diese Bronzemedaille bedeutet uns das Zigfache von allem, was wir bislang erreicht haben“, sagte der 26-jährige Steuermann am Abend nach der Medaillenzeremonie im Olympiahafen. Alica Stuhlemmer fand kaum Worte dazu und sagte: „Der Wert dieser Medaille ist unermesslich.“
Luise Wanser und Anastasiya Winkel beenden Olympia-Premiere als starke Sechste
Nach dem Medaillen-Festival der Segelnationalmannschaft am Dienstag setzten am elften und letzten Tag der Olympia-Regatta vor Enoshima die 470er-Seglerinnen Luise Wanser und Anastasiya Winkel einen glänzenden Schlusspunkt. Das Duo vom Norddeutschen Regatta Verein zeigte im Finale der besten zehn Zweihand-Seglerinnen noch einmal seine Klasse. Ihre Olympia-Premiere beendeten die 24-jährige Steuerfrau und ihre 27-jährige Mitstreiterin auf Platz sechs.
Am letzten Tag kamen nicht nur bei den beiden Kämpferinnen noch einmal Gedanken daran auf, was hätte sein können, wenn die Steuerfrau aus Hamburg und ihre Kieler Crew-Kameradin nicht an Tag eins für die 200 Gramm zu schwere Trapezweste der Vorschoterin mit zwei harten Disqualifikationen bestraft worden wären. „Ich habe jeden Tag gerechnet, was ohne diese Disqualifikationen gewesen wäre. Ich brauchte das für mein Selbstbewusstsein. Dass ich weiß: Ich bin Weltspitze“, sagte Luise Wanser ganz offen. Auf dem Wasser haben die Seglerinnen des German Sailing Teams mit den führenden Teams über die gesamte Olympia-Regatta hinweg auf Augenhöhe agieren können – es war ein vielversprechender erster Olympia-Einsatz zweier Seglerinnen, die ihre Karriere in der ab 2024 neuen olympischen Disziplin 470er-Mixed mit neuen, männlichen Partnern fortsetzen wollen.
Luise Wanser und Anastasiya Winkel fielen sich nach dem Zieldurchgang des gelungenen Finals noch einmal in die Arme. Die Szene markiert den Abschied der reinen 470er-Frauen- und Männer-Teams. Ab 2024 geht es olympisch nur noch im 470er-Mixed zur Sache. Die deutschen Damen haben nach nur einem Jahr in einem Boot im japanischen Olympia-Revier beeindrucken können. Sie selbst hatten eine Medaille angepeilt und werden mit nicht weniger Anspruch in ihre zukünftigen Olympia-Kampagnen durchstarten. Während Anastasiya Winkel den nächsten Olympia-Anlauf mit ihrem Mann, dem 470er-Steuermann Malte Winkel, plant, will Luise Wanser in den kommenden drei Monaten erst ihr Studium beenden und dann ihre neue Kampagne angehen. „Wir müssen jetzt erst einmal sacken lassen, was hier alles passiert ist, aber wir sind heute auch stolz auf uns. Unser Trainer Riccardo de Felice hat in dieser Woche voller Tiefs und Hochs immer an uns geglaubt, uns gepusht“, sagte Luise Wanser. „Wir hatten viele Emotionen im Spiel, aber sind bei allem bis zum Ende professionell und ruhig geblieben. Das ist das Höchst-Niveau an Zusammenarbeit. Das wünsche ich mir auch für die Zukunft“, sagte Anastasiya Winkel.
Philipp Buhl beendet Olympia-Einsatz nach starkem Finale als Fünfter
Das erhoffte Edelmetall konnte der 31-jährige Steuermann (Segelclub Alpsee-Immenstadt/Norddeutscher Regatta Verein) trotz überzeugender Vorstellung nicht mehr holen, weil den vor dem Finale vor ihm liegenden Akteuren keine großen Patzer mehr unterliefen. Den Olympiasieg hatte sich vorzeitig der Australier Matthew Wearn gesichert. Silber und Bronze erkämpften am Sonntagnachmittag der Kroate Tonči Stipanovič und Buhls norwegischer Trainingspartner Hermann Tomasgaard.
Philipp Buhls Trainer Alex Schlonski zog nach dem Rennen Bilanz: „Philipp hat heute alles gegeben und deswegen sind wir sehr stolz auf ihn. Wir beenden die Olympischen Spiele mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Wir sind angetreten, hier eine Medaille zu gewinnen. Das ist nicht gelungen. Die Medaille haben wir am dritten Tag verloren. Nicht heute. Philipp hat die Serie mit dem Rennsieg am Freitag und dem dritten Rang sehr überzeugend zu Ende gebracht. Ein fünfter Platz bei Olympia ergibt keine Medaille, ist aber immer noch eine sehr starke Leistung.“ Das fanden auch Buhls Teamkameraden, die ihn nach der Rückkehr vom Finalkurs mit viel Jubel im Hafen empfingen und feierten.
Svenja Weger konnte sich nach ihrer Auftaktgala und einigen Rückschlägen wieder deutlich steigern
Laser-Radial-Steuerfrau Svenja Weger eröffnete ihre Olympia-Premiere mit zwei Paukenschlägen, ließ Rang fünf einen dominanten Tagessieg folgen und übernahm nach zwei Rennen die Führung im Feld der 44 Frauen-Jollen. Ihre Vortagsgala konnte sie zunächst nicht wiederholen. Die 27-jährige Psychologiestudentin hatte an ihrem unvergesslichen „Super-Sonntag“ für Furore in Enoshima gesorgt. Entsprechend war sie am Montag mit dem gelben Trikot der Spitzenreiterin in die Wettfahrten drei und vier der mit 44 Laser-Radial-Jollen größten olympischen Segelflotte gestartet. „Das war ein cooles Gefühl! Wer weiß, ob ich das jemals wieder erlebe?“, sinnierte die Steuerfrau vom Potsdamer Yacht Club/Norddeutscher Regatta Verein. Mit dem Lesen des Kurses tat sich Svenja Weger an diesem Tag aber so schwer wie auch andere Hochkaräter im Frauen-Feld. „Es gab sehr viele Dreher und die waren schwer zu sehen“, erklärte die DSV-Seglerin nach den Montagsrennen, die sie mit den Rängen 21 und 29 beendete.
Laser-Radial-Steuerfrau Svenja Weger musste am Freitag als erste DSV-Starterin Abschied von den Olympischen Spielen nehmen. Als Gesamt-Sechzehnte konnte sie, die als Spitzenreiterin so überragend in ihre Olympia-Premiere eingestiegen war, nicht für das Medaillenrennen der besten zehn Laser-Radial-Akteurinnen qualifizieren. Svenja Weger aber beendete ihren Einsatz aber versöhnt: „Heute hat es leider nicht gereicht. Es waren sehr komplizierte Bedingungen. Aber meinen Auftakt bei diesen Olympischen Spielen, den werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“
Quelle: DSV.org
Bilder: Sailing Energy / World Sailing